Chaos-Aufstieg und ein Scherbenhaufen

Getrübte Freude und ein rechtliches Nachspiel: Das Relegations-Rückspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC findet seine Fortsetzung auf den Tischen der Sportrichter und hinterlässt einen mehr als faden Beigeschmack.

Aus Düsseldorf berichtet Andreas Morbach

Es war Punkt Mitternacht, als Maximilian Beister (21) und Johannes van den Bergh (25) noch einmal zum Toben auf den großen Spielplatz gingen. Im strömenden Regen schlitterten die beiden frischgebackenen Aufsteiger über den aufgeweichten Rasen der Düsseldorfer Fußballarena. Abwechselnd auf dem Bauch und auf dem Rücken, das letzte wackere Häuflein Fortuna-Fans auf der Haupttribüne johlte dazu – und dann wurde das Licht ausgeknipst. Denn pünktlich sind sie in Düsseldorf.

Manchmal sogar überpünktlich. So wie die vielen Menschen, die beim entscheidenden Relegationsspiel zwischen den Rot-Weißen und Hertha BSC (2:2) eine Minute vor dem Abpfiff den Platz stürmten. Die sieben Minuten Nachspielzeit, die Schiedsrichter Wolfgang Stark verhängte, weil aus beiden Lagern wiederholt Leuchtraketen aufs Spielfeld gefeuert worden waren und er die Partie deshalb zwei Mal länger unterbrechen musste - wurden den Düsseldorfer Anhängern offenkundig zu lang. Mitten auf dem Rasen feierten sie den Aufstieg schon, als der noch gar nicht amtlich war.

Bei Rösler schwillt die Zornesader

Referee Stark schickte beide Mannschaften fürs Erste in die Kabine. Doch bei der später angeordneten Rückkehr ließen sich die Berliner plötzlich ganz viel Zeit. In aller Eile beratschlagten sie schon über einen möglichen Protest, den der Hauptstadtklub heute im Lauf des Tages gegen die Wertung des Chaos-Spiels einlegen könnte. Eine Option, die bei Sascha Rösler die Zornesader anschwellen ließ. "Berlin wollte gar nicht mehr raus kommen", echauffierte sich Fortunas Super-Oldie, der nach Ulm, Aachen und Mönchengladbach gerade mit dem vierten Verein in die Bundesliga aufgestiegen ist - und erzählte von seinem Disput mit Herthas Manager.

"Ich hab’ zu Preetz schon gesagt, ob sie eigentlich noch richtig ticken. Wenn sie gar nicht mehr raus gekommen wären, hätten sie sich komplett lächerlich gemacht und ihren Laden gleich dicht machen können", zürnte Rösler, ehe er sich selig lächelnd zu den feiernden Mitspielern gesellte. Binnen weniger Minuten hatten sich die Fortuna-Kicker in eine beachtliche Feierstimmung getrunken, zogen in einer unkonventionellen Polonaise durch die Tiefgarage der Arena - in ihren kurzen roten Hosen und mit Aufsteiger-T-Shirts, auf denen stand: "Zweite Liga war schön – Zeit für uns zu geh’n".

Jovanovic: Erst Tor, dann Tochter

Wohin ihn sein Weg führen würde, wusste Ranisav Jovanović in dem Augenblick schon ganz genau. Im Krankenhaus warteten Freundin Jeanette und das neugeborene Töchterchen Mila auf den Mann, der Düsseldorf mit seinem Tor zum 2:1 nach einer Stunde entscheidend in Richtung Bundesliga geköpft hatte. Ein dickes Paket Glück für den gebürtigen Berliner. "Gestern und heute habe ich viele Tränen vergossen – natürlich nur glückliche. Diese Emotionen, diese Gefühle sind unbeschreiblich", strahlte Jovanović, der anders als die Teamkollegen offenkundig gewillt war, wenigstens bis zum Besuch bei seiner jungen Familie einen klaren Kopf zu behalten.

Den empfahl auch Otto Rehhagel - den Berlinern, mit denen er gerade abgestiegen ist. Das Adieu des 73-jährigen Fußballlehrers nach der Saison war schon bei Antritt seines Kurz-Engagements in der Hauptstadt beschlossene Sache. Nun hat sich Hertha zum sechsten Mal aus dem Fußball-Oberhaus verabschiedet, steht vor einem gewaltigen Scherbenhaufen, und Rehhagel betonte: "Wir dürfen noch eine Nacht weinen, aber dann müssen die Augen wieder nach vorne gerichtet werden."

Lell: "Nicht erstligareif"

Die Düsseldorfer dagegen schweben nun auf Wolke Sieben, zumindest bis zum ersten Spiel im Oberhaus. "Wenn man bedenkt, dass jetzt Bayern und Dortmund hierher zum Punktspiel kommen - da muss mich erst mal einer zwicken", wähnte sich Mittelfeldmann Thomas Bröker in einem Tagtraum. Während die Hertha-Profis Dienstagnacht stumm an ihm vorbeimarschierten, ehe wenigstens Ersatzspieler Christian Lell den Wirklichkeit gewordenen Alptraum in Worte fasste.

"Wir waren in der gesamten Rückrunde nicht erstligareif. Wir sind alle maßlos enttäuscht", sagte der frühere Münchner. Personelle Konsequenzen an der Klubspitze soll es offensichtlich trotzdem nicht geben. Manager Michael Preetz, der seit 2009 im Amt ist und allein in der abgelaufenen Saison drei Trainer verschlissen hat, jedenfalls erklärte: "Ich bin gewillt, weiterzumachen." Am 29. Mai steht in Berlin eine brisante Mitgliederversammlung auf dem Programm, und Präsident Werner Gegenbauer gibt Preetz vorsorglich schon mal Rückendeckung. "Für mich", betonte Herthas Chef, "ist es unstrittig, dass er in seiner Position bleibt."

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